Der steinige Weg zum PPL

Gewonnen!

Eine Frau will Pilotin werden. Bis zur Prüfung tauchen immer wieder Zweifel an den eigenen Fähigkeiten auf: Soll ich das wirklich durchziehen?



Ich verfüge – wie die meisten meiner Mitmenschen – über kein herausragendes Talent. Im Gegenteil, ich halte mich für ziemlich durchschnittlich. Herausforderungen sind für mich selten Ansporn, eher das willkommene Argument, ein Vorhaben auf die lange Bank zu schieben oder gleich sausen zu lassen. Diese Einstellung hat sich bei mir hartnäckig gehalten. Bis zu dem Tag, an dem mein Mann vor einigen Jahren verkündete, dass er fliegen lernen wollte. Meine erste Reaktion – ohne großes Nachdenken: »Ich sitze nicht neben Dir in einem Flugzeug, ohne zu wissen, was da abgeht. Wenn es sein muss, müssen wir beide fliegen lernen«.Die stille Hoffnung, mein Mann hätte sein Vorhaben vergessen, erfüllte sich nicht: Nach einigen Monaten buchte er tatsächlich einen Schnupperflug. 
Schon nach zehn Minuten auf der Rückbank wollte ich die knapp 30 Nautischen Meilen zurück lieber zu Fuß gehen. Fliegen lernen? Sollte ich mir das wirklich antun? Meine innere Argumentation lautete: »Alles viel zu schwierig und viel zu anstrengend.« Zu meiner eigenen Überraschung wendete sich das Blatt nach einer Zwischenlandung. Denn jetzt sollte ich vorne rechts sitzen und die Robin DR400 steuern. Was für ein aufregendes Gefühl! Ich hatte größten Respekt, war ängstlich, fand  das Ganze aber auch irre spannend. Auf jeden Fall nicht ganz so schlimm, wie ich erwartet hatte. Nach dem Aussteigen war mit klar: Ich will auch Pilotin werden! 
Nun sind meine technischen Kenntnisse eher bescheiden. Für mich waren Theorie und Praxis des Fliegens eher Bücher mit sieben Siegeln. Das Schulfach Physik beispielsweise hatte ich schnellstmöglich abgewählt. Im Unterricht konnte ich lediglich mit mehr oder weniger hübschen Zeichnungen der Versuchsanordnung glänzen. Kurzum: Technik und alle damit verwandten Themen waren nie eines meiner Hobbies. Mir ist es egal, warum mein Auto anspringt, solange es passiert. Wenn die Sonne scheint, ist das schön, aber wer will schon wissen warum? Wird dieses Instrument pneumatisch oder hydraulisch betrieben? Wie bitte? Trotzdem wollte ich fliegen lernen. 

Dummerweise ist das weder preiswert noch ohne erheblichen Zeitaufwand erreichbar.

Daher wollte ich mein Projekt zunächst auf eine gesunde finanzielle Basis stellen. Jahrelang sparte ich fleißig, und irgendwann  hatte ich genügend Geld zusammen. In den folgenden Monaten floss jeder Cent in die PPL-Ausbildung. Jede freie Minute verbrachte ich in diesem Jahr auf dem Flugplatz. Zum Ende des Sommers war ich nur noch gestresst. Im Herbst ließ mich dann meine Gesundheit vorübergehend im Stich. Ich hatte erhebliche Rückenprobleme, verlor mein Medical. Vielleicht doch lieber hinschmeißen? Ich musste zwangsläufig eine Pause einlegen. Meinem inneren Schweinehund war das natürlich schnurz. Erst einmal konnte ich mein Projekt auf die lange Bank schieben. 


Im folgenden Frühjahr legte mein Mann erfolgreich die PPL-Prüfung ab. Ausgerechnet an unserem Hochzeitstag flogen wir zum ersten Mal gemeinsam. Er als verantwortlicher Pilot, ich noch als Passagier. Es ging nach Fehmarn. Und ich hatte Angst. Nach und nach erweiterte mein Mann seine  fliegerischen Kenntnisse erheblich und wurde – wie ich finde – ein sehr guter, sorgfältiger und verantwortungsvoller Pilot. Ich flog brav mit und hatte meistens Angst – und immer noch keinen Flugschein. Ich drückte mich vor meiner eigenen Ausbildung. Mein Hauptargument: zu wenig Zeit. Außerdem war mir die Materie noch immer fremd und irgendwie unheimlich.
Dann bekam ich die Möglichkeit, meine Arbeitszeit auf vier Tage in der Woche zu verkürzen. Mein beliebter Hinderungsgrund fiel flach, und ich nahm zunächst die Theorie in Angriff. An den Wochenenden drückte ich die Flugschulbank. Fächer wie Technik, Aerodynamik, Navigation und Meteorologie bestimmten meine Freizeit. Anschließend den Stoff zu Hause wiederholen. Nach einer schlaflosen Nacht schaffte ich die theoretische Prüfung bei der Luftfahrtbehörde auf Anhieb. Damit stand auch der praktischen Ausbildung nichts mehr im Weg. 

Mir gingen die Argumente gegen die weitere Ausbildung aus.

Die Tage wurden sonniger, und die praktische Ausbildung begann. Flugstunden bei jedem fliegbaren Wetter. Einige Extrastunden für schwierige Manöver. Ich war meist gestresst und hatte oft ein mulmiges Gefühl. 
Jeder Ausbilder hatte  andere Vorstellungen und Schwerpunkte. Jedes Wetter fühlte sich neu und anders an. Das mühselig erworbene theoretische Wissen konnte ich oft nicht abrufen. Die Ausbildung zog sich hin. In einer meiner verzweifelten Phasen habe ich sogar mal einen Ausbilder gefragt, wann er es ansprechen würde, wenn ein Schüler so gar keine Aussicht auf Erfolg hätte. Nur: Es kam nichts. Die praktische Prüfung absolvierte ich nach einer Nacht mit zwei Stunden Schlaf, völlig aufgelöst und nervös um acht Uhr morgens. Aus den tatsächlich knapp zweieinhalb Stunden Prüfungsflug wurde gefühlt das Doppelte. Irgendwann auf dem Rückweg habe ich kapituliert. Sicher, durchgefallen zu sein, flog ich einfach nur noch »nach Hause«. Nach dem Abstellen erklärte mir der Prüfer freundlich und geduldig, was ich alles falsch gemacht hatte. Irgendwann platzte mir der Kragen und ich fragte, wann ich wieder zur Prüfung antreten könne. Er war völlig perplex: »Wieso wieder? Sie haben bestanden«. Ich konnte es kaum glauben. 
Noch in den kommenden drei Wochen zweifelte ich, ob ich wirklich bestanden hatte. Bis endlich die Lizenz im Briefkasten lag und ich unterschreiben durfte. Ich war Pilotin. Ich halte mich nicht gerade für eine routinierte, selbstsichere und furchtlose Pilotin. Obwohl ich inzwischen reichlich Stunden als PIC gesammelt habe, ziehe ich es auch heute vor, mit einem sogenannten Safety-Pilot zu fliegen, einem lizenzierten Mitflieger. Immerhin weiß ich jetzt, weshalb ich vor so vielen Jahren aus dem Flieger stieg und Pilotin werden wollte: Der Weg hat sich für mich trotz aller Hürden gelohnt und ich bin an meinen Zweifeln gewachsen.

(TEXT & FOTOS  von Ute Koglin)

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